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CONNEXI 2013-05 Nephrologie Dialyse Transplantation

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Retrospektive der DGfN 2013

Nierenfibrose Hemmt die

Nierenfibrose Hemmt die Nierenfibrose die Progression von Nierenerkrankungen? Wilhelm Kriz, Mannheim Eine Nierenfibrose entsteht in der bei weitem überwiegenden Zahl der Fälle infolge einer glomerulären Erkrankung, wenn der glomeruläre Prozess auf den Tubulus und schließlich auf das Interstitium übergreift; nur darauf bezieht sich die folgende Darstellung. Conferences Nephrone erkranken einzeln. Auch wenn viele Nephrone gleichzeitig betroffen sind, spielt sich das Krankheitsgeschehen immer individuell im einzelnen Nephron ab. Es gibt keine Hinweise dafür, dass die Erkrankung eines Nephrons, in welchem Stadium auch immer, direkt auf ein benachbartes übergreifen könnte. Die Tendenz glomerulärer Erkrankungen in die Progression, d. h. in einen irreversiblen, sich selbst unterhaltenden Prozess überzugehen, beruht auf der Unfähigkeit der Podozyten zur Regeneration. Wir müssen mit der bei der Geburt vorhandenen Zahl an Podozyten ein Leben lang auskommen: Verlorene Podozyten können nicht durch Zellteilung ersetzt werden. Podozyten sind die dominierenden Zellen eines Glomerulus. Sie bestimmen die Eigenschaften des glomerulären Filters und steuern die Aufrechterhaltung der komplexen Struktur eines Nierenkörperchens. Sie sitzen den glomerulären Kapillaren Prof. Dr. med. Wilhelm Kriz wilhelm.kriz@urz.uni-heidelberg.de von außen auf, indem sie sich mit ihren Fortsätzen in der glomerulären Basalmembran verankern. In glomerulären Erkrankungen gehen sie nicht durch Apoptose, selten durch Nekrose zugrunde, sondern sie fallen als lebende Zellen von den Kapillaren ab und werden mit dem Harn ausgeschieden [1, 2]. Gehen Podozyten verloren (dies geschieht bei jeder glomerulären Erkrankung), dann müssen die Verbleibenden durch Hypertrophie die „Arbeit“ der Verlorenen mit übernehmen. Dies mündet individuell in jedem einzelnen Glomerulus in einen Teufelskreis. Die hypertrophierten Podozyten sind anfälliger gegen jegliche Art von Stress und gehen immer schneller verloren. Wenn mehr als 40 % verloren sind, geht das Nephron als Ganzes zugrunde [3] und wird durch fibrotisches Gewebe ersetzt. Mit dem Verlust von Nephronen beginnt ein zweiter Teufelskreis. Um die „Arbeit“ der Gesamtniere mit weniger Nephronen aufrecht zu erhalten, lässt der Organismus höhere Filtrationsdrucke zu, die den Verlust von Podozyten beschleunigen und schließlich zum Verlust von Nephronen führt (Brennersche Überlasthypothese [4]). Der Übertritt eines glomerulären Krankheitsprozesses auf das Tubulointerstitium erfolgt entweder durch direkte Ausbreitung über den Harnpol auf den Tubulus mit nachfolgender Obstruktion des Tubulus oder durch das allmähliche Versiegen jeglicher Filtration nach Zerstörung aller glomerulären Lobuli (globale Sklerose). Je nach Grad der Obstruktion oder der Filtratverringerung geht der Tubulus in die Atrophie, schließlich in die Degeneration über [5]. Atrophierende, degenerierende Tubuli induzieren eine peritubuläre Entzündung mit massiver Proliferation von Myofibroblasten, in deren Folge die 18

Hemmt die Nierenfibrose die Progression von Nierenerkrankungen? Abbildung 1: Elektronenmikoskopische Aufnahme von Podozyten. tubulären Reste abgeräumt und durch fibrotisches Gewebe ersetzen werden. Dies ist Heilung durch Vernarbung [6]. Eine Niere in einem fortgeschrittenen Stadium des Funktionsverlustes enthält wenig voll intakte Nephrone, die meisten sind mehr oder weniger stark geschädigt und in ihrer Funktion eingeschränkt. Ihre Glomeruli besitzen neben verödeten Lobuli noch ein, zwei, drei filtrierende Lobuli und ihre Tubuli sind entsprechend atrophiert. Aus der Summe ihrer Leistungen resultiert die Restfunktion der Niere, die für das Überleben noch ausreichend sein kann. Die noch funktionierenden Nephrone liegen verstreut im Gewebe, getrennt durch degenerierende Nephrone und fibrotisches Bindegewebe. Um diesen Nephronen ein Überleben zu ermöglichen, übernimmt das Bindegewebsgerüst eine wichtige Funktion. Nephrone sind mikroanatomische Einheiten, deren Länge sich in Zentimetern, deren Dicke in Mikrometern misst. Sie sind in der gesunden Niere nicht durch festes Bindegewebe, Septen oder Ähnliches voneinander getrennt. Sie fügen sich ineinander und stützen sich in ihrer Lage gegenseitig. Die individuelle Gestalt eines Nephrons ist in hohem Maße bestimmt von der Eingrenzung durch benachbarte Nephrone. Wie soll also ein Nephron seine Gestalt beibehalten und überleben, wenn die benachbarten Nephrone degenerieren. Hier besteht Bedarf für eine laterale Stabilisierung. Die Fibrose übernimmt diese Aufgabe. Sie schafft ein dreidimensionales Stützwerk für gesicherte Räume, in denen intakte oder nur partiell geschädigte Nephrone ihre Funktion aufrechterhalten können. Die Progression des chronischen Nierenversagens wird allein durch die Progression des glomerulären Prozesses unterhalten. Entgegen der vorherrschenden Meinung ist die Fibrose daran nicht beteiligt, im Gegenteil: Sie verlangsamt die Progression. Dadurch, dass sie den noch funktionstüchtigen Nephronen stabile Räume vorhält, sichert sie deren Überleben - natürlich nur solange der glomeruläre Krankheitsprozess nicht fortschreitet [6]. Referenzen 1. Vogelmann S, Nelson W, Myers B and Lemley K. Urinary excretion of viable podocytes in health and renal disease. Am J Physiol Renal Physiol 285: F40-F48, 2003. 2. Kriz W, Shirato I, Nagata M, Le Hir M and Lemley K. The podocyte‘s response to stress: the enigma of foot process effacement. Am J Physiol Renal Physiol 304: F333-F347, 2013. 3. Wharram B, Goyal M, Wiggins J, Sanden S, Hussain S, Filipiak W, Saunders T, Dysko R, Kohno K, Holzman L and Wiggins R. Podocyte depletion causes glomerulosclerosis: Diphteria toxin-induced podocyte depletion in rats expressing human diphteria toxin receptor transgene. J Am Soc Nephrol 16: 2941-2952, 2005. 4. Brenner B, Lawler E and Mackenzie H. The hyperfiltration theory: a paradigma shift in nephrology. Kidney Int 49: 1774-1777, 1996. 5. Kriz W and Le Hir M. Pathways to nephron loss starting from glomerular diseases - Insights from animal models. Kidney Int 67: 404-419, 2005. 6. Kaissling B, Le Hir M and Kriz W. Renal epithelial injury and fibrosis. BBA Mol Basis Dis 1832: 931-939, 2013. Für die Bildung einer Nierenfibrose sind Myofibroblasten verantwortlich. Welche Aussage trifft zu? Myofibroblasten ... 1. entstehen durch EMT (Epithelio-Mesenchymale Transformation) aus tubulären Zellen. 2. bilden Kollagen Typ I. 3. werden in ihrer Tätigkeit durch eine Albuminurie stimuliert. 4. tragen durch exzessive Proliferation und Fibrosebildung zur Progression des chronischen Nierenversagens bei. Conferences Die Lösung finden Sie auf Seite 45. 19

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