38. Nephrologisches Seminar in Heidelberg „Wearable“ PD Vedat Schwenger, Heidelberg Im Jahr 1923 veröffentlichte Georg Ganter in der MMW, dass er davon überzeugt sei, dass es auf dem einen oder anderen Wege gelingen werde, eine künstliche Niere herzustellen und damit das Leben des Kranken zu verlängern [1]. Mittlerweile sind sowohl Hämodialyse-, als auch Peritonealdialyseverfahren in der Nierenersatztherapie flächendeckend etabliert und werden chronisch über viele Jahre bzw. Jahrzehnte angewandt. Unabhängig von der Nierentransplantation, die enorme Weiterentwicklungen in den letzten Jahren zu verzeichnen hat, stellt sich auf apparatetechnischer Seite die Frage nach der künstlichen Niere der Zukunft [2]. In den 1960-iger Jahren war die Peritonealdialyse (PD) auf den kurzfristigen Einsatz bei Patienten mit akutem Nierenversagen limitiert. Die Peritonealdialyse wurde hierbei mit Metall- Trokaren und Dialysaten in Glasflaschen oftmals als kontinuierliche Behandlung über 24 Stunden durchgeführt. Im weiteren Verlauf wurde die PD ähnlich wie die Hämodialyse (HD) eingesetzt, z. B. als 3x wöchentliches Nierenersatzverfahren, welches im Zentrum durchgeführt wurde. Erst durch die Veröffentlichung von Montcrief und Popovich [3] konnte sich das Konzept der CAPD (kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse) durchsetzen. Mittlerweile werden etwa eine Viertelmillion Menschen weltweit mit Peritonealdialyse behandelt [2]. Da die Entgiftungsleistung der Hämodialyse ebenso wie die der Peritonealdialyse limitiert ist, würde der Patient theoretisch von einer kontinuierlichen Behandlung profitieren. Eine Möglichkeit der kontinuierlichen Behandlung besteht in der tragbaren, sogenannten „wearable“ PD. Eine kontinuierliche Nierenersatztherapie könnte durch die bessere Entgiftungsleistung für den Patienten mit einer besseren Lebensqualität, weniger Urämiesymptomatik, z. B. Neuropathie, aber auch geringerem Verbrauch von Phosphatbindern, Erythropoeitin oder Antihypertensiva assoziiert sein. Die Vorteile einer tragbaren PD beständen neben der kontinuierlichen Behandlung in der Möglichkeit eines regenerierbaren Dialysats und der Nutzung einer größeren Dialysataustauschmenge sowie, durch Adaption des osmotischen Gradienten, die Generierung eines variablen und individuellen UF- Gradienten. Zusätzlich könnte die Rate an Konnektionen verringert werden, dies ist wiederum mit einer reduzierten Peritonitisrate assoziiert. Dieser Faktor und die Möglichkeit eines regenerierbaren Dialysats könnten zu einer deutlichen Kostenreduktion führen. Conferences Prof. Dr. med. Vedat Schwenger vedat.schwenger@med.uni-heidelberg.de Technische Besonderheiten Mit der „wearable PD“ bestände die Möglichkeit einer kontinuierlichen PD („continuous flow PD“), zumindest wenn ein zweites Katheterlumen existiert oder aber die Möglichkeit eines sog. „rapid tidal exchange“, wenn ein zusätzliches Reservoir bei „single lumen“ Katheter verwendet wird. In beiden Fällen ist eine mechanische Pumpe notwendig. 34
„Wearable“ PD Abbildung 1: „Wearable“ PD*. Dies wiederum erfordert eine wiederaufladbare Batterie. Erheblich für den Komfort für den Patienten ist hier die Größe, Akku- bzw. Batterieleistung und das Gewicht. Nutzer moderner Smartphones können dies am besten nachvollziehen. Einige Besonderheiten sind technisch zu berücksichtigen. Aufgrund des regenerierbaren Dialysats und des kontinuierlichen Gebrauchs kommt es zu Proteinund Fibrinablagerung, die über einen zusätzlichen Filter absorbiert werden müssen. Zudem besteht die Notwendigkeit einer Regeneration von Bicarbonat oder Azetat sowie Abbau von Harnstoff, aber auch Austausch von Elektrolyten wie Natrium, Kalium, Kalzium und Magnesium. Moderne Absorbertechniken berücksichtigten diese Besonderheiten. So bestehen diese Absorber z. B. aus Mikroporcarbonmaterialen sowie aus Urease und Zirkonium. Mikroporcarbon z. B. absorbiert Kreatinin, Harnsäure, Oxidantien, Schwermetalle aber auch Mittelmoleküle wie Beta-2-Mikroglobulin. Urease wiederum metabolisiert bekanntlich Harnstoff zu Ammoniak und Kohlendioxyd, Zirkoniumphophat z. B. Ammoniak und Kationen (Kalzium, Magnesium, Kalium, Metalle) – hierbei werden Wasserstoff und Natrium freigesetzt. Zirkoniumoxyd/Carbonat absorbiert Phosphat, Fluorid, Schwermetalle und setzt hierbei ebenfalls Natriumbicarbonat und in geringeren Mengen Azetat frei [2]. Hieraus ergibt sich auch die technische Besonderheit, dass die Hülle dieser Absorber gaspermeabel sein muss, um z. B. CO ² zu eliminieren. Die technischen Anforderungen an eine tragbare PD sind aufgrund dieser Besonderheiten hoch. Theoretisch könnte bei einem 70 kg-Patienten ein ureasehaltiger Absorber mit 250 g Zirkonium bis zu 2 g Harnstoff/Stunde metabolisieren [2]. Ein Wochen-Kt/V Harnstoff von 5,9 für Langsamtransporter bzw. 6,5 für Schnelltransporter könnte mit einem Dialysatumsatz von 4 l/Std. und einem Tidalaustausch von 1.000 ml erzielt werden [4, 5]. Betrachtet man die Module einer „wearable PD“, so sind diese der „wearable HD“ sehr ähnlich [2, 6]. Heutige Systeme ermöglichen eine Integration der Module in z. B. einen Gürtel oder in einen Rucksack, das Gewicht liegt zwischen 3 kg und 4 kg (Abbildung 1, 2). Auch wenn tragbare Peritonealdialysegeräte bislang nur in der Kurzzeitbehandlung zur Anwendung kamen (z. B. über jeweils 4 Stunden), so konnten hiermit bereits Flussraten von über 1 l pro Stunde erzielt werden. Die derzeit technisch erreichbare Kreatinin-Clearance bewegt sich im Bereich von 5-8 ml/min. (Harnstoff-Clearance 9-11 ml/min). Auch wenn die technischen Fortschritte zur tragbaren Peritonealdialyse langsam voranschreiten, so gibt es doch mehrere Firmen, die sich um eine Weiterentwicklung intensiv bemühen. Fortschritte insbesondere in der Nanotechnologie sind hier entscheidend für die weitere Entwicklung. Erste Therapieversuche am Menschen sind vielversprechend. Prinzipiell wäre hier auch ein Einsatz bei nichtrenalen Indikationen (z. B. kardiorenalem Syndrom) denkbar. Referenzen 1. Ganter, G., Ueber die Beseitigung giftiger Stoffe aus dem Blute. MMW, 1923. 50. 2. Fissell, W.H., S. Roy, and A. Davenport, Achieving more frequent and longer dialysis for the majority: wearable dialysis and implantable artificial kidney devices. Kidney Int, 2013. 84(2): p. 256-64. 3. Moncrief, J.W., et al., Additional experience with continuous ambulatory peritoneal dialysis (CAPD). Trans Am Soc Artif Intern Organs, 1978. 24: p. 476-83. 4. Davenport, A., Portable or wearable peritoneal devices — the next step forward for peritoneal dialysis? Adv Perit Dial, 2012. 28: p. 97-101. 5. Lee, D.B. and M. Roberts, A peritoneal-based automated wearable artificial kidney. Clin Exp Nephrol, 2008. 12(3): p. 171-80. 6. Davenport, A., et al., A wearable haemodialysis device for patients with end-stage renal failure: a pilot study. Lancet, 2007. 370(9604): p. 2005-10. * Mit freundlicher Genehmigung der Firma Abiomed, Lund, SE. Conferences 35
Laden...
Laden...
Laden...
The Paideia Group GmbH
Dammsmühlerstr. 35
13158 Berlin
Tel: +49 (0)30 40303692
Fax: +49 (0)30 40303696
mail@thepaideiagroup.com