Bewährtes und Neues Therapie der Immunneuropathien Peter Berlit, Essen Die Pathomechanismen entzündlicher Neuropathien wie Guillain-Barré-Syndrom, chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuritis, Polyneuropathie bei MGUS oder multifokale motorische Neuropathie sind noch immer nicht vollständig verstanden; die autoimmune Ätiologie dieser Erkrankungen ist jedoch heute unbestritten. Mit dem wachsenden Kenntnisstand der Immunmechanismen haben sich die therapeutischen Optionen deutlich erweitert – Kortikoide, Immunglobuline, Plasmapherese sowie monoklonale Antikörper kommen gezielt zur Anwendung. 88. DGN-Kongress Conferences Guillain-Barré-Syndrom (GBS) Die akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuritis (AIDP), das Guillain-Barré-Syndrom, hat eine jährliche Inzidenz von 1,1 bis 1,8 auf 100.000. Neben der klassischen demyelinisierenden Form gibt es axonale Varianten, die akute motorische axonale Neuropathie (AMAN) und die akute motorisch sensible axonale Neuropathie (MSAN) sowie das Miller Fisher-Syndrom mit der Trias Ophthalmoplegie, Ataxie und Areflexie. Obwohl die AIDP antikörpervermittelt nach vorausgehenden bakteriellen oder viralen Infektionen auftritt, helfen Kortikosteroide beim GBS nicht. Therapeutisch kommt der Einsatz der Plasmapherese in Frage. Durch diese Behandlung lässt sich der Zeitraum bis zum Wiedererlangen der Gehfähigkeit verkürzen, auch die Zeitspanne einer etwaigen Respiratorpflicht wird verkürzt. Wie der Cochrane Review von 2012 [1] zeigt, sind beim milden GBS zwei Plasmaseparationen besser als keine. Beim mäßigen GBS sind vier besser als zwei und beim schweren GBS sechs Plasmaseparationen besser als vier. Der Effekt einer Plasmaseparationstherapie ist am größten bei Beginn dieser Behandlung innerhalb der ersten sieben Tage nach Symptombeginn. Seit 1992 [2] ist bekannt, dass intravenöse Immunglobuline genauso gut wirken wie die Plasmaseparation. Es werden 0,4 g/kg Körpergewicht täglich für fünf Tage verabreicht. Durch diese Therapie lassen sich eine Verbesserung des Behinderungsgrades nach vier Wochen, eine Verkürzung der Zeit bis zum selbstständigen Gehen sowie die Verkürzung der Dauer einer etwaigen Beatmung erreichen. 1997 wurde gezeigt, dass die Kombination von Plasmapherese und intravenösen Immunglobulinen nicht besser wirkt als eines von beiden allein. Auch die Kombination von intravenösen Immunglobulinen mit der Gabe von Methylprednisolon bringt keinen Vorteil gegenüber der alleinigen Immunglobulinbehandlung. Wenn es bei einem Guillain-Barré-Syndrom zu einem Rezidiv kommt, kann die zuvor erfolgreich eingesetzte Methode nochmals zur Anwendung kommen. Der Wechsel von der Plasmapherese zur Immunglobulingabe oder vice versa ist nicht erforderlich [3]. Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuritis (CIDP) Die chronische Variante der inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuritis (CIDP) zeigt eine jährliche Inzidenz von 1 auf 100.000 und eine Prävalenz bis zu 9 auf 100.000. Neben der Gabe von Immunglobulinen und der Plasmaseparation können bei der CIDP auch erfolgreich Kortikoide eingesetzt werden. Um den Effekt einer Kortikoidtherapie bei CIDP abschätzen zu können, sollte eine Behandlung über 12 Wochen erfolgen. In der PREDICT-Studie [4] wurden 40 Patienten mit einer neu diagnostizierten CIDP entweder mit Dexamethason 40 mg täglich für vier Tage mit Wiederholung alle vier Wochen verglichen mit der täglichen Gabe von Prednisolon 60 mg über fünf Wochen und allmählichem 28
Bewährtes und Neues Abdosieren über 27 Wochen. Es zeigten sich keine Unterschiede bezüglich der Wirksamkeit. Wie Vergleichsstudien zum Einsatz von Kortikoiden gegenüber Immunglobulinen bei der CIDP gezeigt haben, sind Rezidive nach Therapiebeendigung häufiger nach Immunglobulinen als nach Kortikoiden; die Zeit bis zur Verschlechterung ist nach Immunglobulinen deutlich kürzer als nach der Gabe von Kortikoiden; die Chance, die Therapie abzubrechen, ist nach Kortikoiden eher gegeben [5,6]. Das Problem der Steroidtherapien sind die Gewichtszunahme sowie die sonstigen bekannten Nebenwirkungen der Langzeitkortikoidbehandlung. Die Metaanalyse der Cochrane-Reviews zur Plasmaseparation bei CIDP aus dem Jahr 2012 [7] dokumentiert, dass es zu einer signifikanten Besserung im Vergleich zu einer Scheinblutwäsche kommt. Zwei Drittel der Patienten zeigen initial eine Besserung, Rezidive zeigen sich allerdings häufig (knapp 70 %) und meist innerhalb von 1−2 Wochen nach Beendigung der Behandlung. Die Cochrane-Metaanalyse zur Gabe von Immunglobulinen aus dem Jahr 2013 [8] fasst fünf placebokontrollierte Studien an 235 Patienten zusammen. Daneben gibt es kleinere Studien, die Immunglobuline mit Plasmaseparation oder Kortikoiden vergleichen. Die placebokontrollierten Studien zeigen, dass es innerhalb eines Monates zu einer signifikanten Besserung durch die Immunglobulingabe kommt, wobei die number needed to treat bei drei liegt. Der Effekt hält für 2−6 Wochen an und ist ähnlich ausgeprägt wie bei der Plasmaseparation oder der Kortikosteroidgabe. Es bessern sich drei Viertel der Patienten, in über 85 % ist allerdings eine Dauertherapie erforderlich. Die Induktion mit Immunglobulinen erfolgt in einer Dosis von 2 g/kg Körpergewicht über 4−5 Tage verteilt, danach werden 1 g/kg Körpergewicht alle drei Wochen appliziert. Wichtig ist, bei den Immunglobulinen die individuell niedrigste wirksame Dosis herauszufinden. Prof. Dr. med. Peter Berlit peter.berlit@Krupp-krankenhaus.de Dies kann durch eine schrittweise Reduktion der Immunglobulindosis, aber auch durch ein Strecken des Zeitintervalls zwischen den Therapien erfolgen. Wichtig ist es außerdem, objektive Parameter zur Verlaufsbeurteilung heranzuziehen – hier haben sich insbesondere die Elektromyographie, die Elektroneurographie sowie Ultraschallmethoden bewährt. Subjektive Beschwerden wie Fatigue, reduzierte Lebensqualität und sensible Reizerscheinungen sind keine zuverlässigen Zielparameter. Ein großes Problem bleibt die Übertherapie bei der Gabe von Immunglobulinen, wobei insbesondere die Habituation des Patienten eine Rolle spielt. Die doch sehr große Variabilität der Verläufe einer CIDP wird über verschiedene Mechanismen erklärt: Zum Einen spielt die heterogene Autoimmunität (T-Zell versus B-Zell) eine Rolle. Daneben sind das Lebensalter und etwaige Vorschädigungen der Nerven relevant. Die oft deutlichen Kurzzeit- Effekte sind wahrscheinlich über die erfolgreiche Behandlung von Antikörper- oder komplementbedingten Funktionsstörungen von Ionenkanälen oder Ranvier-Knoten zu erklären. Bei einer Foto: Jens Komossa Conferences 29
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