Curriculum Zentrale Notaufnahme (ZNA) Tabelle 1: Ursachen für beanstandete Erkrankungen Diagnose N Fehler % ohne Anspruch % mit Anspruch % = % der Fehler Zerebrale Ischämie 118 42 31 11 26 Spondylopathien 87 33 11 22 66 Entzündl. ZNS-Erkrankungen 43 28 12 16 57 ICB + SAB 43 46 16 30 65 Zerebrale Tumoren 41 53 24 29 55 Epilepsie/Synkopen 37 16 8 8 50 Psychische Erkrankungen 35 32 23 9 28 Demyelinisierende Erkrankungen 29 31 17 14 45 Polyneuropathie-/Guillain-Barré-Syndrom 26 42 15 27 64 Spinale Tumoren/Gefäßprozesse 17 36 12 24 66 Gesamtzahl/Durchschnitt 667 36 16 20 55 Conferences die von unfallchirurgisch/orthopädischen Fällen angeführt wird. Damit entsprechen sie ca. 2−3 % aller Schadensfälle, die von den Gutachterstellen bearbeitet werden. Aus den Daten der Norddeutschen Schlichtungsstelle geht hervor, dass Schlaganfälle die Hauptursache für beanstandete Erkrankungen darstellen (Tabelle 1) Rechtliche Situation Grundsätzlich gelten in der neurologischen Notaufnahme die gleichen rechtlichen Prinzipien wie in der Medizin generell, wobei sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Normen berührt werden. Zivilrecht: Patientenrechtegesetz Zivilrechtliche Rechte und Pflichten ergaben sich von jeher zunächst grundsätzlich aus dem Behandlungsvertrag, bei dem der Arzt im Rahmen eines „Dienstvertrags“ (§§ 611 ff BGB) die fachgerechte und sorgfältige Behandlung, nicht aber (wie beim Werkvertrag) den Behandlungserfolg schuldet. Das neue Patientenrechtegesetz (PatRG), das am 26. Februar 2013 in Kraft getreten ist, kodifiziert und konkretisiert das Behandlungs- und Arzthaftungsrecht im BGB durch Hinzufügung der §§ 630a bis 630h insofern, als es die bisherige Rechtsprechung („Richterrecht“) zusammenfasst. Dadurch soll die Rechtslage eindeutiger und transparenter gestaltet werden und die Patientenrechte gestärkt werden. Daneben enthält das Gesetz die Änderung verschiedener Paragrafen des SGB V, die Änderung von § 4 der Patientenbeteiligungsverordnung und von § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes sowie eine Ergänzung der berufsrechtlichen Vorschriften. Im Patientenrechtegesetz werden erhöhte Anforderungen an die Aufklärungspflichten gestellt, die die Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung des Patienten darstellen. Die Patienten erhalten mehr Rechte auf Einblick in ihre Patientenakten, während die Krankenkassen in Zukunft die Patienten bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützen sollen. Die für den Patienten im Rechtsstreit wichtige Frage der Beweislast wird präzisiert, insbesondere, wenn es zu einer Beweislastumkehr kommt. Zudem werden die Krankenkassen zu einer beschleunigten Genehmigung von Behandlungen verpflichtet. Die Behandlung hat regelmäßig nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen. Damit wird die – auch bisher geltende – Grundlage der Arzthaftung und der Einstufung eines Behandlungsfehlers durch einen medizinischen Sachverständigen festgeschrieben. Ärzte sind verpflichtet, Behandlungsfehler oder Beinahe- Behandlungsfehler zu dokumentieren und auszuwerten. Auf diese Weise sollen Risiken erkannt und minimiert werden. Besteht der Verdacht auf einen 46
Curriculum Zentrale Notaufnahme (ZNA) Behandlungsfehler, so sind die Krankenkassen verpflichtet, ihre Versicherten zu unterstützen. Die bei der Arzthaftung bislang von den Gerichten entwickelten Instrumente zur Beweislastverteilung sind nun im neuen Gesetz geregelt. Grundsätzlich muss der Patient beweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dieser für den Gesundheitsschaden ursächlich ist (Kausalität). Bei groben Behandlungsfehlern hingegen muss der Arzt beweisen, dass der nachgewiesene Fehler nicht den Schaden verursacht hat, was naturgemäß sehr schwierig ist. Zur Beweislastumkehr führt auch der einfache Befunderhebungsfehler, wenn sich bei der gebotenen (unterlassenen) Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis gezeigt hätte und sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde. Die Aufklärung des Patienten ist Voraussetzung für eine rechtswirksame Einwilligung des Patienten oder seines Vertreters und wird in § 630e BGB präzisiert. Unterschieden werden die Selbstbestimmungsaufklärung und die Sicherungsaufklärung. Bei der Selbstbestimmungsaufklärung geht es um die Kernaufklärung über Nutzen und Risiken einer Maßnahme (z. B. Thrombolyse, Thrombektomie); ihre Durchführung ist vom Arzt durch Dokumentation zu beweisen. Bei der Sicherungsaufklärung, die in Notaufnahmen wichtig ist, geht es um Instruktionen, wie mit einer Erkrankungssituation und ihren Implikationen zur Schadensabwehr umzugehen ist; z. B. eine Wiedervorstellung bei Verschlechterung einer Symptomatik bei Kopfschmerzen oder Hinweis auf eine eingeschränkte Fahrtauglichkeit nach einem epileptischen Anfall. In § 630f BGB wird der Arzt verpflichtet – wie bisher schon in den Berufsordnungen und in den Bundesmantelverträgen geregelt – eine Patientenakte zu führen und alle relevanten Fakten ausführlich zu dokumentieren. Prof. Dr. med. Dipl. Psych. Frank Erbguth Frank.Erbguth@klinikum-nuernberg.de Auch bei der Organisation des Betriebs der Notaufnahme werden beispielsweise das Arbeitszeitgesetz berührt oder Fragen des Organisationsverschuldens z. B. bei unzureichender personeller Ausstattung der Notaufnahme oder des Übernahmeverschuldens z. B. bei der Übernahme von Aufgaben, für die der Arzt oder die Struktur nicht qualifiziert sind, z. B. bei der unangemessenen Delegation ärztlicher Aufgaben an nicht-ärztliches Personal z. B. im Triageverfahren oder durch Weiterbehandlung trotz mangelnder Kompetenz im ungeeigneten Krankenhaus. Grundsätzlich ist als Maßstab der Facharzt- Standard gefordert, der allerdings organisatorisch in Supervisionsform gewährleistet werden kann. Strafrechtliche Aspekte Strafrechtliche Tatbestände, die aus Behandlungsfehlern resultieren können, sind die „fahrlässige Körperverletzung“ (§ 229 StGB), die angezeigt werden muss (Antragsdelikt) oder die „fahrlässige Tötung“ (§ 222 StGB), bei der im Verdacht „automatisch“ ermittelt wird (Offizialdelikt). Strafrechtliche Sanktionen treffen den Verantwortlichen höchstpersönlich. Conferences 47
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