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CONNEXI 2016-04 Neurologie

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DGPPN-Kongress 2015

DGPPN-Kongress 2015 Conferences Teilen Deutschlands nur mit Mühe und nach langer Wartezeit einen Therapieplatz. Aufgrund des hohen Chronifizierungsrisikos sei jedoch eine rasche und frühzeititge Behandlung der Patienten immens wichtig. „Psychische Erkrankungen müssen noch stärker in den Fokus von Gesundheitspolitik und Selbstverwaltung rücken“, appelierte die Präsidentin. Das Potenzial von gestuften, personenzentrierten und sektorenübergreifenden Versorgungsmodellen sei bei weitem noch nicht ausgeschöpft − die rasche Implementierung dieser Modelle unverzichtbar. „Prävention, Behandlung und Rehabilitation müssen ambulant und stationär so ineinander greifen, dass wir psychisch erkrankte Menschen frühzeitig ausreichend behandeln und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sichern können. Nur so lassen sich langfristig die enormen Krankheitslasten reduzieren. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass neue Versorgungsangebote die Patienten und deren Bedürfnisse in den Mittelpunkt rücken und nicht einseitig auf Kostenersparnis und Wettbewerb fokussieren“, betonte Frau Dr. Hauth. „Psychiatrie ist das Gegenteil industrieller Prozesse“ demonstrierte Prof. Dr. med. Giovanni Maio, M.A. phil. vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin in Freiburg in seinem Vortrag „Verstehen nach Zahlen?“ und setzte sich sehr überzeugend mit der Frage auseinander, warum die Industrialisierung der Psychiatrie, wie sie aktuell in der Medizin allgemein zu beobachten ist, einem falschen Paradigma folgt. Negativierung der Zeit und Linearisierung von Komplexität mit dem ausschließlichen Ziel der Effizienzsteigerung aus produktionstechnologischer Perspektive habe in der Medizin nichts mit Qualitätssicherung zu tun, sondern sei nichts anderes als ein sukzessiver Abbau von Qualität, analysierte der Festredner. Die einseitige Orientierung an Bewertungskategorien wie Berechenbarkeit, Quantifizierbarkeit und Exaktheit, also die Delegitimierung des Nicht- Messbaren blende Zwischentöne, die Uneindeutigkeit, die Ambivalenz aus − damit werde man aber in der Psychiatrie keine Antwort auf die Not des Patienten finden. Das gelinge nicht durch Algorithmen, sondern nur durch die Entstehung einer Vertrauensbeziehung, mit echter Professionalität, die sich von der konkreten Situation des Patienten von seinen Anliegen, seiner individuellen Geschichte und seinen ihn drängenden Fragen leiten lässt, und zwar vor allem durch verstehendes Zuhören. Zahlen, Objektivierbares, Formalisierbares, so stellte Maio klar, können zwar auch in der Medizin eine Basis darstellen für diagnostische und therapeutische Entscheidungen. Der Kern der Leistung des Psychiaters liege jedoch im Deutungsprozess der Besonderheiten des Individuums. Und Maio resümiert: Die Psychiatrie ist professionelle Hilfe durch gelingende Interaktion auf der Basis verstehender Zuwendung. Deswegen sollte gerade heute, im Zeitalter von pauschalierenden Entgeltsystemen entschieden dafür gekämpft werden, dass in der Psychiatrie nicht nur produktionstechnische Werte gefördert werden, sondern vor allem beziehungsstabilisierende Werte wie Zuhörbereitschaft, Geduld, Behutsamkeit, Reflexivität, Aufmerksamkeit und wertschätzende Zugewandtheit. Denn nur wenn sich die Psychiatrie aller Steuerungssysteme zum Trotz auch weiterhin, neben der Sachlichkeit und der Wissenschaftlichkeit dieser zwischenmenschlichen Werte verschreibt, wird das Motto dieses Kongresses nicht nur auf den Plakaten stehen, sondern gelebte Realität bleiben. Deswegen hat die Psychiatrie keinen Grund aus der Defensive zu argumentieren, sondern muss ihre Sache offen verteten und für sie kämpfen, im Interesse ihrer Patienten. 54

DGPPN-Kongress 2015 Stopp PEPP: Am zweiten Kongresstag fand eine große Protestaktion statt: Die Kongressteilnehmerinnnen und -teilnehmer forderten die Bundesregierung auf, das neuen Entgeltsystem PEPP zu stoppen. Psychiater forderten Alternative zu PEPP Im Rahmen des DGPPN-Kongresses forderten die Teilnehmer mit einer großen Protestaktion die Bundesregierung auf, die Einführung des für 2017 geplanten Pauschalierenden Entgeltsystems Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) zu stoppen und stattdessen auf ein zukunftsfähiges Alternativkonzept zu setzen. Ein „Budgetbasiertes Entgeltsystem“ entspreche den Zielen, die im Krankenhausfinanzierungsgesetz formuliert sind und orientiere sich an den Bedürfnissen psychisch kranker Menschen. Es stelle sicher, dass die Patienten so lange in der Klinik behandelt werden können, wie dies medizinisch und therapeutisch angezeigt sei. Damit erhielten die Kliniken die Sicherheit, die dafür notwendigen Personalressourcen mittelfristig zu planen. PEPP sei dafür nicht geeignet, verdeutlichte Prof. Dr. Arno Deister, Itzehoe, President Elect der DGPPN, im Rahmen der Protestaktion. Inzwischen gibt es aber diesbezüglich gute Nachrichten: War noch im November des vergangenen Jahres „die Bundesregierung am Zug“, so hat sich Anfang 2016 ein Kurswechsel im Bundesgesundheitsministerium vollzogen. Das PEPP ist vom Tisch Stattdessen kündigte Gesundheitsminister Hermann Gröhe Mitte Februar dieses Jahres eine grundlegende Neufassung des Psych-Entgeltsystems an. Die vorgestellten Eckpunkte eröffnen die Chance für eine bedarfsgerechte und zukunftsfähige Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. „Unsere Kritik wurde gehört. Die Eckpunkte zur Entwicklung eines neuen Psych-Entgeltsystems, welche das Bundesgesundheitsministerium und führende Gesundheitspolitiker der Koalition vorgestellt haben, tragen den Bedürfnissen von Menschen mit psychischen Erkrankungen Rechnung. Endlich sind die festen, diagnosebezogenen Tagesentgelte, auf denen das PEPP-System basiert hätte, kein Thema mehr“, erklärte Prof. Deister zu dieser Ankündigung. Das neue Entgeltsystem soll nun als Budgetsystem für stationäre und teilstationäre Leistungen ausgestaltet und weiterhin krankenhausindividuell verhandelt werden, wodurch auf die strukturellen Besonderheiten in den Regionen eingegangen werden kann. Gleichzeitig sehen die Eckpunkte vor, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) verbindliche Vorgaben für die personellen Mindestausstattungen in den Krankenhäusern festlegt – und zwar auf Basis der Psychiatrie-Personalverordnung und der wissenschaftlichen Behandlungsleitlinien. „Damit sind zentrale Forderungen der DGPPN erfüllt. Nun geht es darum, die politischen Eckpunkte in eine neue gesetzliche Grundlage zu überführen. Den Gesetzgebungsprozess und die nachfolgende Umsetzung durch die Organe der Selbstverwaltung werden wir weiterhin kritisch begleiten“, kommentierte DGPPN-Präsidentin Dr. Iris Hauth. Die Fachgesellschaft wird die Eckpunkte nun im Detail prüfen. Gerade in der angekündigten Stärkung der settingübergreifenden Versorgung sieht sie großes Potenzial. „Die angespannte Versorgungslage macht die Entwicklung solcher settingübergreifender Versorgungsansätze unverzichtbar. Dass dabei nun Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen ins Zentrum rücken und eine Flexibilisierung der Versorgungsangebote der Kliniken möglich wird, ist begrüßenswert. Die geplante „Krankenhausbehandlung ohne Bett“ mit multiprofessionellen Teams, welche die Patienten in ihrem häuslichen Umfeld aufsuchen, stellt eine wichtige Ergänzung der bisherigen Versorgungsstrukturen dar. Wichtig ist auch hier, dass von Beginn an die richtigen Parameter gesetzt werden“, so Dr. Iris Hauth in einer Presseerklärung der DGPPN zur Ankündigung des Ministers. Conferences 55

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