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CONNEXI 2016-04 Neurologie

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Die Zukunft der

Die Zukunft der medizinischen Rehabilitation psychisch und psychosomatisch Kranker Was ist gut, was muss sich aus Sicht der Reha-Einrichtungen ändern? Antonia Walch, Berlin Das Wichtigste bei der Behandlung von psychisch und psychosomatisch Kranken ist der frühzeitige Zugang zu medizinischen Rehabilitationsleistungen. Eine Erhebung aus dem Jahr 2014 bestätigte, dass es durchschnittlich 7−8 Jahre dauert, bis ein psychosomatisch Kranker seine notwendige rehabilitationsmedizinische Behandlung erhält. Die Wartezeit auf ein erstes Gespräch bei einem Psychotherapeuten beträgt durchschnittlich 12,5 Wochen. Zwischen Erstgespräch und Beginn der Behandlung liegen durchschnittlich drei Monate [1]. Die durchschnittliche Monatsrente liegt bei 600 Euro und ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Fall für spätere Altersarmut. Zudem bezahlt ein Frührentner über Jahre oder Jahrzehnte keine Beiträge in die sozialen Sicherungssysteme ein. Jeder 2. psychisch kranke Frührentner erhält in den fünf Jahren vor dem Rentenbescheid keine Rehabilitationsleistung. Weniger als 10 % der psychisch kranken Frührentner erhalten eine Empfehlung für Je früher die Krankheit und ein Behandlungsbedarf erkannt werden, desto größer sind die Chancen für eine berufliche Wiedereingliederung. DGPPN-Kongress 2015 Conferences Nur jeder dritte psychisch Kranke erhält in Deutschland überhaupt eine ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung. Damit bleibt die Mehrzahl der Menschen mit psychischen Erkrankungen unbehandelt [2]. Je höher die Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage vor der Rehabilitation ist, desto seltener wird eine dauerhafte berufliche (Re-) Integration erreicht. Arbeitsunfähigkeitstage und die Dauer der Krankschreibungen sind seit vielen Jahren über alle Indikationen annähernd gleichbleibend. Lediglich die Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen steigen an, wobei unklar ist, ob psychische Störungen tatsächlich zunehmen oder nur eine u. a. erhöhte Sensibilität für diese Erkrankung und deren Diagnose zunimmt [3]. Der Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen und Arbeitslosigkeit besteht in beide Richtungen. Das Durchschnittsalter bei Frühverrentungen ist sehr gering, dadurch entsteht ein doppelter Schaden: Viele und frühe Frühverrentungen bei psychischen Erkrankungen. Eine Studie der Bundespsychotherapeutenkammer aus dem Jahr 2013 [2] hat festgestellt, dass fast jede 2. Frührente psychisch bedingt ist. Die Betroffenen sind durchschnittlich 49 Jahre alt. eine medizinische oder berufliche Rehabilitation. Im Jahr 2011 waren psychische Erkrankungen für rund 40 % der neuen Frührenten verantwortlich, aber nur 20 % der Rehabilitationsleistungen wurden für Menschen mit psychischen Erkrankungen eingesetzt. Bei psychischen Störungen wird ein Reha-Antrag häufig erst in einem bereits chronischen Stadium der Erkrankung gestellt. Liegt bereits ein Erwerbsminderungsrentenantrag vor, kommt ein Rehabilitationsangebot in der Regel zu spät [3]. Was ist gut? Um sektorale Grenzen aufzuheben, werden Projekte wie PAULI (Psychosomatik auffangen unterstützen leiten integrieren) entwickelt und 58

Die Zukunft der medizinischen Rehabilitation psychisch und psychosomatisch Kranker umgesetzt. PAULI ist ein Gemeinschaftsprojekt der AOK Rheinland, der DRV Rheinland und der AHG AG. Das Ergebnis spricht für sich: Zwei Drittel der „PAULI-Teilnehmer“ sind nach der Maßnahme wieder arbeitsfähig [1]. Solche Projekte lassen sich nur umsetzen, wenn alle Partner zusammenarbeiten wollen. Wichtig ist das frühzeitige Zusammenspiel von Hausärzten, Krankenkassen, Rentenversicherung, Arbeitgebern und dem Patienten! Was muss sich ändern? Wir brauchen statt eines „Verschiebebahnhofs“ zwischen Krankenkassen und Rentenversicherung eine Zusammenarbeit und Vernetzung aller Akteure. Die Versorgungskette muss optimiert werden, eine bessere Verzahnung muss stattfinden mit dem Ziel des trägerübergreifenden Fallmanagements. Wichtig ist auch die Einbeziehung der Arbeitgeber. Die Rehabilitationskliniken müssen dafür flexible Rehabilitationsleistungen anbieten. Wichtig ist auch ein ausreichendes ambulantes Versorgungsangebot. Mehr als 80 % der Rehabilitanden in der psychosomatisch-psychotherapeutischen Rehabilitation werden im Anschluss an die stationäre Maßnahme ambulante psychotherapeutische Weiterbehandlungen empfohlen. Aufgrund der langen Wartezeiten auf einen ambulanten Therapieplatz gelingt die nahtlose ambulante Weiterversorgung häufig nicht [4]. Das Reha-Budget der DRV ist aufgrund der Veränderung des Krankheitsartenspektrums zu überdenken. Aus unserer Sicht ist für die Umsetzung einer bedarfsgerechten Versorgung das Reha- Budget nicht mehr zeitgemäß und abzuschaffen. Zudem bedarf es einer angemessenen Vergütung der Leistungserbringer. Antonia Walch walch@bdpk.de Literatur 1. Norbert Glahn, Angebote von Rehabilitationskliniken zur frühzeitigen Bedarfserkennung, Vortrag im Rahmen des BDPK-Bundeskongress am 4.6.2014 in Berlin 2. BPtK-Studie zur Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit „Psychische Erkrankungen und gesundheitsbedingte Frühverrentung“ 2013, S. 4, 33 f 3. Positionspapier der Deutschen Rentenversicherung zur Bedeutung psychischer Erkrankungen in der Rehabilitation und bei Erwerbsminderung, 2014, S. 9, 25 4. BPtK-Studie Versorgung psychisch kranker Menschen in der medizinischen Rehabilitation 2014, S. 41 Conferences 59

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