ANV Langzeitkonsequenzen des akuten Nierenversagens Vedat Schwenger, Stuttgart Gemäß den Daten des Statistischen Bundesamtes nimmt das akute Nierenversagen in deutschen Krankenhäusern kontinuierlich zu und hat sich von 2000 bis 2014 mehr als vervierfacht. Die Inzidenz des akuten Nierenversagens auf den Intensivstationen wird international mit 5–10 % angegeben, wobei die Mortalität mit bis zu 60 % nach wie vor sehr hoch liegt. In etwa der Hälfte aller Patienten geht dem Nierenversagen eine Sepsis mit Multiorganversagen voraus bzw. begleitet sie. Conferences 40. Nephrologisches Seminar in Heidelberg Etwa zwei Drittel aller Patienten mit akutem Nierenversagen (ANV) auf den Intensivstationen bedürfen einer Nierenersatztherapie. Zum Zeitpunkt der Entlassung sind 10–15 % aller Patienten, die ein akutes Nierenversagen überleben, weiterhin dialysepflichtig. Etwa ein Viertel der überlebenden Patienten verstirbt bereits im ersten Jahr nach Entlassung [1–4]. Akutes Nierenversagen und Langzeitprognose Die Prognose nach akutem Nierenversagen scheint vom Schweregrad abhängig zu sein. So weisen Patienten, die nach Myokardinfarkt ein akutes Nierenversagen erlitten haben, in Abhängigkeit des Schweregrades des Nierenversagens ein mehr als dreifach höheres Risiko terminal niereninsuffizient zu werden und ein knapp 40 % höheres Risiko zu versterben auf [5]. Wie wichtig ein akutes Nierenversagen für die Langzeitprognose ist, zeigen zudem Daten des Veterans Affairs Registers aus den USA. Bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt und initialer eGFR von >45 ml/min war ein akutes Nierenversagen mit einer deutlich schlechteren Prognose assoziiert als der Myokardinfarkt per se [6]. In einer belgischen Untersuchung konnte neben einer mit akutem Nierenversagen assoziierten hohen Krankenhausmortalität von >50 % nachgewiesen werden, dass im ersten Jahr weitere 11,3 % der Patienten versterben, im zweiten Jahr weitere 3,7 %. Bei den 34,2 % der überlebenden Patienten wurde nach zwei Jahren ein Hausbesuch abgestattet und die Lebensqualität erfasst. Hierbei konnte gezeigt werden, dass bei sehr guter mentaler und psychischer Genesung die körperlich bedingte Lebensqualität weiterhin deutlich eingeschränkt ist [7]. Eine aktuelle Metaanalyse bestätigt diese Beobachtung [8]. Nephrologische Mitbetreuung verbessert Prognose Oftmals wird übersehen, dass ein entscheidender Punkt für die Prognose des akuten Nierenversagens die nephrologische Mitbetreuung ist [9]. Von klinischer Relevanz ist hierbei, dass die Behandlungsqualität des akuten Nierenversagens zum einen suboptimal ist [10, 11] und zum anderen in Deutschland lediglich in 22 % der Patienten mit akutem Nierenversagen ein Nephrologe involviert ist; knapp die Hälfte hiervon aus dem ambulanten Sektor [12]. Wie wichtig die nephrologische Mitbetreuung nicht nur während des akuten Nierenversagens ist, sondern auch im Verlauf, zeigt eine Studie aus Ontario, bei der Patienten, die nach ANV nephrologisch betreut wurden, eine signifikant bessere 2-Jahres-Überlebensrate nachgewiesen werden konnte. In diesem Kontext ist es von besonderer Bedeutung, dass Patienten, die ein ANV überleben und eine eGFR von kleiner 60 ml/min aufweisen, aber nicht dialysepflichtig sind, lediglich in weniger als 10 % im ersten Jahr nach Entlassung dem Nephrologen zugewiesen werden [13]. Fazit Zusammenfassend kommen aufgrund dieser Daten mehrere Arbeiten zu dem Schluss, dass die 14
ANV fehlende nephrologische Mitbetreuung der Patienten mit akutem Nierenversagen und fehlende nephrologische Verlaufskontrolle bei Patienten, die ein akutes Nierenversagen überlebt haben, mit nicht nur einer schlechteren Prognose, sondern auch deutlich höheren Ausgaben des Gesundheitssystems durch vermeidbare Langzeitschäden assoziiert sind [14–16]. Die Langzeitkonsequenzen des akuten Nierenversagens sind sicherlich unterschätzt, die Behandlungsqualität steigerungsfähig. Insbesondere die interdisziplinäre Betreuung des Patienten mit akutem Nierenversagen ist im engen Dialog zwischen Intensivmedizinern, Internisten und Nephrologen notwendig und an vielen Punkten noch verbesserungsfähig. Prof. Dr. med. Vedat Schwenger v.schwenger@klinikum-stuttgart.de Referenzen 1. Uchino S, Kellum JA, Bellomo R et al. Acute renal failure in critically ill patients: a multinational, multicenter study. JAMA 2005; 294: 813–8. 2. Bagshaw SM, Mortis G, Doig CJ et al. One-year mortality in critically ill patients by severity of kidney dysfunction: a population-based assessment. Am J Kidney Dis 2006; 48: 402–9. 3. Morgera S, Kraft AK, Siebert G et al. Long-term outcomes in acute renal failure patients treated with continuous renal replacement therapies. Am J Kidney Dis 2002; 40: 275–9. 4. Murugan R, Kellum JA. Acute kidney injury: what‘s the prognosis? Nat Rev Nephrol 2011; 7: 209–17. 5. Newsome BB, Warnock DG, McClellan WM et al. Longterm risk of mortality and end-stage renal disease among the elderly after small increases in serum creatinine level during hospitalization for acute myocardial infarction. Arch Intern Med 2008; 168: 609–16. 6. Chawla LS, Amdur RL, Shaw AD et al. Association between AKI and long-term renal and cardiovascular outcomes in United States veterans. Clin J Am Soc Nephrol 2014; 9: 448–56. 7. Van Berendoncks AM, Elseviers MM, Lins RL. Outcome of acute kidney injury with different treatment options: long-term follow-up. Clin J Am Soc Nephrol 2010; 5: 1755–62. 8. Villeneuve PM, Clark EG, Sikora L et al. Health-related quality-of-life among survivors of acute kidney injury in the intensive care unit: a systematic review. Intensive Care Med 2016; 42: 137–46. 9. Mehta RL, McDonald B, Gabbai F et al. Nephrology consultation in acute renal failure: does timing matter? Am J Med 2002; 113: 456–61. 10. Adding Insult to Injury. A review of the care of patients who died in hospital with a primary diagnosis of acute kidney injury. A Report by the National Confidential Enquiry into Patient Outcome and Death. 2009. 11. MacLeod A. NCEPOD report on acute kidney injury-must do better. Lancet 2009; 374: 1405–6. 12. Schindler R, Hutagalung R, Jorres A et al. [Treatment of acute renal failure in Germany: a structural analysis]. Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 1701–6. 13. Siew ED, Peterson JF, Eden SK et al. Outpatient nephrology referral rates after acute kidney injury. J Am Soc Nephrol 2012; 23: 305–12. 14. Kerr M, Bedford M, Matthews B, O‘Donoghue D. The economic impact of acute kidney injury in England. Nephrol Dial Transplant 2014; 29: 1362–8. 15. Lewington A, Hall P. The cost of ignoring acute kidney injury. Nephrol Dial Transplant 2014; 29: 1270–2. 16. Rewa O, Bagshaw SM. Acute kidney injury-epidemiology, outcomes and economics. Nat Rev Nephrol 2014; 10: 193–207. Conferences 40. Nephrologisches Seminar in Heidelberg 15
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