PSYCHIATRIE IM 21. JAHRHUNDERT Biologie, Lebensgeschichte und Umweltfaktoren miteinander interagieren. Daher könne es nicht eine alleinige pharmakologische Strategie geben, die für ein Störungsbild uneingeschränkt wirksam ist. Hier könne die Entwicklung von Response- und Verlaufsmarkern in Zukunft den gezielteren Einsatz bereits vorhandener Pharmaka ermöglichen. Unabhängig von jeder Entwicklung, die in Zukunft kommen wird, müssen neue Pharmaka stets in einen psychosozialen Gesamtbehandlungsplan eingebettet werden und die Lebensqualität und das subjektive Wohlbefinden des Patienten verbessern, betonte der Referent. Alzheimer: auf dem Weg zu neuen Wirkstoffen gegen das Vergessen Prof. Dr. Frank Jessen Prozesse, wie Amyloid-Aggregation, beeinflussen. Neue diagnostische Verfahren zur Darstellung der Alzheimer-Pathologie bei Patienten sind verfügbar. Auf der anderen Seite seien alle auf diesen Fortschritten aufbauenden neuen Therapieansätze bisher in Phase-3-Studien gescheitert. Dies führe in vielen Bereichen zu einer Neukonzeption der Therapieentwicklung. Ein sehr früher, präventiver Therapiebeginn bei Risikopersonen ohne Symptome werde heute erprobt. Der Biomarkernachweis für die Alzheimer- Krankheit beim individuellen Patienten wird in allen Studien gefordert. Neue molekulare Targets werden identifiziert, u. a. basierend auf Ergebnissen der genetischen Forschung. Weiterhin sei davon auszugehen, dass innerhalb der nächsten Jahre eine neue Generation von Medikamenten zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit zur Verfügung stehen wird. „Es ist davon auszugehen, dass innerhalb der nächsten Jahre eine neue Generation von Medikamenten zur Behandlung der Alzheimer- Krankheit zur Verfügung stehen wird.“ CONFERENCES Die Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit ist von Höhen und Tiefen geprägt, erklärte Prof. Dr. Frank Jessen, Direktor des Zentrums für Neurologie und Psychiatrie am Universitätsklinikum Köln. Auf der einen Seite nehme das Wissen um die pathologischen Prozesse, die der Erkrankung zugrunde liegen, rasant zu. Medikamente können heute zentrale Big Data und Psychiatrie Neue Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz und im Deep Learning eröffnen der Psychiatrie zukunftsweisende Ansätze, unterstrich Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg, Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit, Mannheim, und Mitglied im Vorstand der DGPPN. 66
PSYCHIATRIE IM 21. JAHRHUNDERT dass sich Demenzen früh aus den Bewegungsmustern von Versuchsteilnehmern erkennen lassen oder dass sich eine neu beginnende manische Episode in einer Zunahme der Aktivität an SMS und Telefonanrufen zeigt. Damit seien auch therapeutische Konsequenzen verbunden: Denn solche Informationen können über Methoden des machine learning analysiert und den Patienten selber zurück gespiegelt werden, womit sich gesundheitsförderndes Verhalten verstärken lässt. So wurde zum Beispiel auch nachgewiesen, dass sich durch einen Schrittzähler, der dem Träger die Anzahl der am Tag bereits gemachten Schritte anzeigt, die physische Aktivität erhöht. Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg Nach Jahrzehnten mit nur relativ geringen Fortschritten ermöglichen diese Methoden die Entdeckung von Mustern in hochkomplexen Datensätzen, die sich für die Diagnose und potenziell auch für die Therapie psychischer Störungen einsetzen lassen. Einerseits erlauben es solche Methoden, hochkomplexe Datensätze aus der Bildgebung, der Genetik und der Klinik zu diagnostisch verwendbaren Biomarkern zusammenzufügen. Hier werden Fortschritte bei Erkrankungen wie Schizophrenie und Autismus gemacht. Andererseits bieten sich auch außerhalb des Labors neue Chancen zum Beispiel durch die Tatsache, dass inzwischen nahezu jeder einen Hochleistungscomputer in Form eines Mobiltelefons in der Tasche hat. Zusammen mit neuen Sensoren, wie sie sich beispielsweise gerade durch Smart Watches rasch ausbreiten, aber auch durch die Fähigkeit von Mobiltelefonen zur genauen Lokalisierung und zur Messung von Bewegungsaktivitäten, ergeben sich so für die Medizin ganz neue Chancen, die Aktivitäten und in Zukunft wahrscheinlich auch die emotionale und kognitive Befindlichkeit von Patienten zu messen. Daraus resultieren spannende diagnostische Optionen: Es gebe bereits Befunde, die nahelegen, „Der Big-Data-Ansatz hat das Potenzial, unser Verständnis von psychischen Erkrankungen von Grund auf zu verändern.“ Umdenken in der psychiatrischen Forschungs förderung unverzichtbar „Hochmodernde Forschungsmethoden erlauben einen ganz neuen Blick auf psychische Erkrankungen. Wir stehen heute an der Schwelle zum Durchbruch, um die Ursachen und Mechanismen richtig zu verstehen – und um daraus effektive Therapien zu entwickeln“, betonte Professor Meyer-Lindenberg. In den Forschungslaboren der Psychiatrie hat die Zukunft schon begonnen: Mithilfe hochpräziser Bildgebungsverfahren verfolgen die Wissenschaftler zum Beispiel winzige Mengen radioaktiv markierter Moleküle im Körper und sehen dabei, welche neurochemischen Veränderungen der Erkrankung zugrunde liegen und wie sie sich auf die Hirnfunktion auswirken. Diese CONFERENCES 67
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