Aufrufe
vor 4 Jahren

CONNEXI 2019-8 Schmerz Palliativmedizin

  • Text
  • Palliativmedizin
  • Connexi
  • Behandlung
  • Palliative
  • Menschen
  • Hydromorphon
  • Methadon
  • Therapie
  • Schmerz
  • Schmerztherapie
  • Conferences
  • Patienten
medizinisches Fachmagazin über Schmerz und Palliativmedizin, für Ärzte, mit retrospektiven Berichten vom Fachkongressen: Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2019

THERAPEUTISCHE OPTIONEN

THERAPEUTISCHE OPTIONEN CONFERENCES pro Monat. So werden viele Patienten mit „niedrigem Druck“ beatmet, eigentlich bräuchten sie die Beatmung nicht, so der Medizinische Dienst (MdK). Noch viel schlimmer ist die Situation bei den Patienten mit einer Trachealkanüle (TK): Argumente hier sind Schluckstörung oder Aspirationsgefahr. Allerdings steigen hier mit TK die Risiken. In der Klinik ist es kaum besser: Beatmung über 24 Stunden bringt nach DRG teils 23.426 Euro, über 1799 Stunden 204.243 Euro – wohlgemerkt pro Patienten. Durch die Definition sogenannter „Beatmungshürden“ steigern sich die Beträge nach bestimmten Stunden (z. B. 24, 95, 249 Stunden). Teils gibt es in Kliniken „Ampelsoftware“, die dem Arzt das „wirtschaftlich günstige Beatmungsende“ signalisiert. Das allein ist unerträglich. Während früher die Kliniken, jeweils zum Jahresende, ihre Kosten vorrangig anhand der Verweildauer geltend machen konnten (Kostendeckungsprinzip), wird durch das neue DRG-System (diagnosis related groups) auf der Basis eines Diagnosemix und anhand der durchgeführten Prozeduren ein Entgelt bestimmt: je schlimmer die Krankheit und je technischer der Eingriff, desto höher der Erlös. Über Bonusverträge werden viele leitende Ärzte an lukrativen Eingriffen oder am Klinikgewinn beteiligt. Dies setzt bei einigen Verträgen Fehlanreize, wenn etwa eine Beteiligung von 15 % am DRG-Erlös vereinbart wurde. Während Bundesärztekammer und Gesetzgeber diese Verträge ächten und auf freiwilligen Verzicht drängen, hatten 2015 noch 97 % der neuen Chefarztverträge entsprechende Klauseln [4]. Patienten sollten Ihre Wünsche frühzeitig dokumentieren, eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung vorhalten. Zudem ist ein Zweitmeinungsverfahren sehr hilfreich. Kürzlich wurde gezeigt, dass 80 % der Patienten, die bereits eine Einweisung zur Wirbelsäulenoperation hatten, durch eine Zweitmeinungsberatung und eine konservative Therapie letztlich die Operation nicht brauchten. Aktuell gibt es erfreulichen Widerstand. Der Stern publizierte ein gegen die Kommerzialisierung gerichtetes Manifest, welches mittlerweile mehr als 1.000 Ärzte und Institutionen, darunter viele Fachgebiets- und Ärz te kammerpräsidenten unterzeichneten (https://www.stern.de/gesundheit/aerzte-appell-im-stern--rettet-die-medizin--8876008.html). Und Mi nister Spahn will den Beatmungsmissbrauch mit einem eigenen Gesetz (RISG) eindämmen. Licht am Ende des Tunnels? Referenzen 1. Brownlee S, Chalkidou K, Doust J et al. Evidence for overuse of medical services around the world. Lancet 2017; 390(10090): 156–68. 2. Dasch B, Kalies H, Feddersen B et al. Care of cancer patients at the end of life in a German university hospital: A retrospective observational study from 2014. PLoS One 2017; 12(4): e0175124. 3. DIGAB. Ambulante Intensivpflege nach Tracheotomie. Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(12): 909–11. 4. Maybaum T. Medizinethik. Ökonomisches Denken darf nicht im Vordergrund stehen. Dtsch Arztebl 2016; 113(22– 23): A-1078 / B-906 / C-890 Dr. med. Matthias Thöns Wiesenstraße 14, 58452 Witten Dr. med. Matthias Thöns thoens@web.de 54

AM LEBENSENDE DACHZEILE Palliative Sedierung Titel Eberhard Albert Lux, Lünen, und Uwe Junker, Remscheid Autor ©Shutterstock/Photographee.eu Mit großen Schritten hat sich, im ambulanten wie auch im stationären Bereich, die palliativmedizinische Versorgung in Deutschland während der vergangenen 20 Jahre entwickelt. Dessen ungeachtet bleibt die Forderung von vielen Bürgern unseres Landes – auch von Ärzten – nach einer gesetzlichen Regelung zur „Tötung auf Verlangen“. Das Hauptargument der Befürworter besteht in der Forderung nach einer autonomen Entscheidung zur Linderung des Leides am Lebensende. Erwiesen ist aber auch, dass besseres Wissen über palliativmedizinische Behandlungsmöglichkeiten die Forderung nach einer derartigen Gesetzgebung zurückgehen lässt [1]. Palliativmedizin als Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit den Problemen einer lebensbedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind, widmet sich im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes sehr intensiv der Symptombehandlung, um körperliches, psychosoziales, auch spirituelles Leiden zu lindern. Dies tut sie auch eingebettet in die Sterbehilfedebatte mit konsequenter „Therapie von belastenden Symptomen am Lebensende“, auch wenn der Preis dafür eine Lebensverkürzung – in sehr geringem Umfang – ist. Palliative Sedierung wird im palliativmedizinischen Kontext als überwachter Einsatz von Medikamenten mit dem Ziel einer verminderten oder aufgehobenen Bewusstseinslage definiert, um Symptomlast in anderweitig therapierefraktären Situationen in einer für den Patienten, Angehörige und Mitarbeiter ethisch akzeptablen Weise zu reduzieren. Dabei wird der autonomen Entscheidung der betroffenen Patienten Ausdruck verliehen, und wir Ärzte kommen der Verpflichtung nach, eine unerträgliche und als belastend empfundene Leidenssituation am Ende des Lebens zu behandeln und zu erleichtern, wie dies in den Grundsätzen der Sterbebegleitung der Bundesärztekammer niedergelegt ist [2]. Verfechter einer Gesetzgebung hinsichtlich der Liberalisierung einer Tötung auf Verlangen argumentieren in der Regel, palliative Sedierung sei Tötung auf Verlangen durch die Hintertür. Diesen muss entschieden widersprochen werden. Die Intention palli­ CONFERENCES 55

connexi Jahrgänge

connexi Themen